Angst

Vor einigen Monaten geriet ich aufgrund mehrerer Missverständnisse in eine für mich beängstigende Situation, in der ich für etwas mehr als 30 Stunden am Flughafen in Puket festgehalten wurde. Erschwerend hinzu kam, dass auch meine Frau, mit der ich damals zusammen am Reisen war, ihrer Freiheit beraubt und wir beide teils in unterschiedlichen Räumen verwahrt wurden. Wir wurden "gut" behandelt, man war freundlich zu uns und man liess uns bei Bedarf sogar für kurze Zeit zusammen kommunizieren. Dennoch war es für uns beide das erste Mal in unserem Leben, dass wir gegen unseren Willen festgehalten und weggesperrt wurden.

Wir sind in diese Situation geraten, weil uns unsere Visa-Agentur, sowie unsere Sprachschule – bei welcher wir ein Sprachvisum gebucht haben – sowie Beamte eines Immigrationsbüros in Bezug auf die Bedingungen unserer Visa unvollständig informiert haben. Dadurch verweigerte man uns letztlich die Einreise. Und weil wir per Gesetz bloss auf demselben Weg und zurück zum Ausgangspunkt der Reise den Flughafen verlassen durften, mussten wir auf den passenden, nächstmöglichen Flug warten, wodurch es zu dieser sogenannten Quarantäne kam.

Doch das ist an und für sich nicht der Grund, weshalb ich diesen Blog-Post schreibe.

Ich fühlte mich motiviert, über eine interessante Selbsterfahrung im Kontext dieser Freiheitsberaubung zu berichten.

Alles begann damit, dass ich in der Situation, in der man uns erklärte, dass wir nicht einreisen und wieder ausreisen müssten, sowie uns die Bedingungen dazu erläutert wurden, feststellte, wie ich am ganzen Körper zu zittern begann. Ich fühlte mich gelinde ausgedrückt unbehaglich und erinnerte mich an Szenen von Gewalt aus meiner Kindheit und Jugend, in denen ich ähnlich reagierte.

Als ich wenig später alleine in einem Raum irgendwo im Flughafen war, entschied ich mich, mich schützend zusammen zu rollen und für die Zeit bis zur Entlassung zu fasten sowie in meinen Gedanken abwechselnd mein Meditationsmantra und Ho'oponopono (ein hawaiianisches Vergebungsritual) zu rezitieren.
Ich muss dazu erwähnen, dass ich im Grundsatz eher rational veranlagt bin, jedoch mein ganzes Leben spirituellen Praktiken nachging. Nichtsdestotzotz fiel es mir manchmal nicht leicht, mich bei solchen Übungen zuversichtlich zu fühlen und in der Folge war ich manchmal auch von den Ergebnissen enttäuscht.

Aber eins nach dem anderen. 😝

Denn, was mir in dieser Situation letztlich klar wurde, ist, dass ich Angst vor Gewalt habe und in der Konfrontation mit Machtlosigkeit in mir eine gewisse Scham aufkommt, weil ich eine derartige Situation nicht auflösen und deshalb mich sowie andere Betroffene nicht befreien kann.

Dies rügt, wie ich zu wissen glaube, von Momenten in meiner Kindheit, in der ich häuslicher Gewalt ausgesetzt war, aber auch von meiner bereits frühen Auseinandersetzung der durch Menschen an Tieren (oder anderen Menschen) verursachten Leiden und Qualen.

Jedenfalls spürte ich den Kern dieser Angst deutlich wie selten zuvor, in jenen Stunden im Flughafen.

Und es war dann auch in diesem Moment, als ich eine neue Art der Auseinandersetzung mit dieser Urangst in mir fand.

Und zwar stellte ich mir intuitiv vor, wie ich aus meinem Körper heraus gehe, doppelt so gross werde, wie ich tatsächlich bin und ich mich wie ein Baby in den Arm nehme und zu mir spreche. Ich begegnete mir dabei wie eine Mutter, mit bedingungsloser Liebe und super verständnisvoll. Wenn die Situation es erforderte, nahm ich andere, involvierte Menschen, ebenfalls in meine Arme und sprach dann nicht mehr nur mit mir, sondern mit allen Beteiligten.
Ich versuchte mich im Gespräch mehr oder weniger an der folgenden Struktur zu orientieren:

  1. Es tut mir leid, dass du diese Situation als unangenehm erfahren musst.
  2. Es ist aber im Endeffekt eine wertvolle Erfahrung, über welche du dich an sich freuen kannst und für die du dankbar sein kannst.
  3. Du brauchst dich für deine Gefühle weder zu schämen noch zu entschuldigen. Alles ist gut und wenn es etwas zu vergeben gibt, ist dies bereits geschehen.
  4. Ich weiss, wer du bist und liebe dich über alles.

Obwohl sich für mich dieser Rahmen bewehrte, lockerte ich ihn – in Abhängigkeit zu meiner Befindlichkeit – hin zu einem strukturloseren Gespräch mit mir selber oder den involvierten Menschen.

Mit dieser "Technik" konnte ich mich (in Wellen, aber immerhin) aus Angst und Scham erheben und mich stark und vollkommen fühlen. Auch gelangte ich so in einen Zustand, wo ich mir weder um mich noch um meine Frau Mónica, noch um das, was ggf. als Nächstes passieren könnte, sowie auch nicht darum, wie lange die unangenehmen Bedingungen allenfalls noch andauern könnten, Gedanken gemacht habe.

Wann immer ich aus dem Rhythmus fiel, fing ich unmittelbar am gesamten Körper an zu zittern.

Wie zuvor erwähnt, scheint meine Angst vor allem auf Scham nicht "stark genug" zu sein, Gewalt und Ungerechtigkeit zu verhindern zu gründen. Darauf aufbauend fusst wohl, besonders in solchen Momenten, eine Art Selbstverabscheuung mit zahlreichen, negativen Effekten.

Ich bin froh, diese Erfahrung gemacht zu haben und schaue positiv in eine Zukunft, in der mich jenes Trauma, zunehmend weniger kontrollieren können wird.

2024-01-21 (amadeus)